Was ist die ASR A3.7 „Lärm“ und für welche Räumlichkeiten ist sie gültig?
Die Arbeitsstättenverordnung mit Ihren zugrunde liegenden technischen Regeln für Arbeitsstätten, darunter auch die ASR A3.7 „Lärm“ legt den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene fest. Arbeitnehmer sind explizit angehalten, die Anforderungen der ASR einzuhalten, sofern sie nicht anderweitig eine gleichwertige Sicherheit und Gesundheitsschutz für ihre Mitarbeiter bieten können.
Wie es der Name bereits sagt, gilt die ASR A3.7 „Lärm“ für sämtliche Arbeitsstätten, an denen Mitarbeiter zum Einsatz kommen, darunter Büros, Produktionshallen und andere Arbeitsräume.
Die Arbeitsstättenrichtlinie A3.7 gilt explizit nicht für Pausen- und Bereitschaftsräume, Erste-Hilfe-Räume oder Unterkünfte.
Bedeutung der Raumakustik für Arbeitsstätten nach ASR A3.7
Die Raumakustik spielt in Arbeitsstätten eine große Rolle, da sie nachweislich die Konzentration und die physische und psychische Gesundheit von Arbeitnehmern beeinflussen kann. Ist die Nachhallzeit zu hoch, kann es zu Echoeffekten kommen und die Verständlichkeit von Gesprächen kann deutlich verringert werden.
Aus diesem Grund werden in verschiedenen Normen, Richtlinien und Regelwerken auch Anforderungen an die Raumakustik gestellt, die Arbeitgeber einhalten sollten, um neben Fehlzeiten und Produktivitätseinbußen ihrer Mitarbeiter auch rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
Tätigkeitsklassen nach der ASR A3.7
Die Wichtigkeit der Raumakustik ist je nach Tätigkeit der am Arbeitsplatz arbeitenden Person mehr oder weniger wichtig. Die ASR A3.7 teilt die Tätigkeiten deshalb in die Klassen A bis C ein, die wie folgt zu verstehen sind:
1. Tätigkeitskategorie I – hohe Konzentration oder hohe Sprachverständlichkeit:
Arbeiten, die ständig eine hohe Konzentration erfordern, da sie auf Kreativität, dem Verstehen von komplexen Thematiken oder dem Treffen von Entscheidungen unter hohem Entscheidungsdruck und mit großer Tragweite basieren.
Beispiele: Besprechungen und Verhandlungen in Konferenzräumen; Arbeiten in Bibliothekslesesälen; Wissensvermittlung durch Vorlesung oder Seminare; wissenschaftliches und kreatives Arbeiten; Entwickeln von Software; Treffen von Entscheidungen mit hoher Tragweite gegebenenfalls unter Zeitdruck; ärztliche Untersuchungen, Behandlungen und Operationen; Entwerfen, Übersetzen, Diktieren, Aufnehmen und Korrigieren von schwierigen Texten, Optimieren von Software und Prozessschritten komplexer Transferstraßen, Teachen von Robotern in verketteten Roboter-Linien
2. Tätigkeitskategorie II – mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit:
Arbeiten, die eine mittlere bzw. nicht andauernd hohe Konzentration erfordern, weil diese üblicherweise einen größeren Teil an Routineaufgaben oder das Treffen von Entscheidungen mit eher geringerer Tragweite beinhalten.
Beispiele: allgemeine Bürotätigkeiten und vergleichbare Tätigkeiten in der Produktion und Überwachung: informations- und kommunikationsgeprägte Tätigkeiten, wie Disponieren; Daten erfassen; Texte verarbeiten; Sachbearbeitung im Büro; Arbeiten in Betriebsbüros und Laboratorien; Bedienen von Beobachtungs-, Steuerungs- und Überwachungsanlagen in geschlossenen Messwarten und Prozessleitwarten; Verkaufen, Bedienen von Kunden; Tätigkeiten mit Publikumsverkehr
3. Tätigkeitskategorie III – geringere Konzentration oder geringere Sprachverständlichkeit:
Geringe Erwartungen an die Raumakustik. Befriedigende raumakustische Bedingungen, die jedoch im Falle von Telefonaten und Besprechungen als zu gering wahrgenommen werden können und zu Beschwerden durch die Nutzer führen können.
Beispiele: allgemein industrielle und gewerbliche Tätigkeiten: einfache Montagearbeiten; handwerkliche Tätigkeiten (Fertigung, Installation); Tätigkeiten an Fertigungsmaschinen, Vorrichtungen, Geräten; Warten, Instandsetzen und Reinigen technischer Einrichtungen und deren unmittelbare Beaufsichtigung; Bedienen von Bearbeitungsmaschinen für Metall, Holz und dergleichen; Reinigungsarbeiten; Lagerarbeiten; Einräumen von Ware.
Folgen von schlechten raumakustischen Bedingungen nach ASR
Eine schlechte Akustik zeichnet sich durch zu hohe Nachhallzeiten und damit einhergehend durch zu schlechte Sprachverständlichkeit aus. Dadurch kann es zu Echoeffekten kommen, der Gesamtlautstärkepegel kann ansteigen oder die Personen müssen mehr Anstrengung für das Verstehen von Gesprächspartnern aufwenden.
Folgen einer schlechten Raumakustik und zu hoher Lärmpegel können nach ASR A3.7 folgende sein:
👂 Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit und akustischen Orientierung: Durch die Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit wird es schwerer, andere Personen zu verstehen, was u. a. auch dazu führen kann, dass man Aussagen, die eigentlich für einen bestimmt wären, nicht als solche wahrnimmt.
🖥️ Störung der Arbeitsleistung (kognitiv): Durch schlechte akustische Bedingungen kann u. a. auch die Konzentration und die Kreativität gestört werden, was zu einer geringeren Produktivität und Arbeitsleistung führt, was bedeutet, dass Mitarbeiter in der gleichen Zeit weniger schaffen
🧠 Psychische Wirkung: Als Folge schlechter Raumakustik können psychische Belastungen wie Ärger, Nervosität oder ein Gefühl von Belästigung entstehen
👩⚕️ Physiologische Wirkung: Durch die Aktivierung des zentralen und vegetativen Nervensystems können die Ausschüttung von Stresshormonen oder die Aktivierung des Herz- / Kreislaufsystems die Folge sein
Allgemein lässt sich sagen, dass durch schlechte akustische Bedingungen am Arbeitsplatz viele negative Folgen eintreten können. Die Liste der Schädigungen durch Lärm am Arbeitsplatz wäre nochmal deutlich länger als die bisherige Liste.
Anforderungen an die Raumakustik gemäß ASR A3.7
Die ASR A3.7 betrachtet anders als vergleichbare Werke nicht den Frequenzbereich von 125 bis 4000 Hz, sondern lediglich den Frequenzbereich von 250 bis 2000 Hz. Dies sollte bei der Berechnung der Nachhallzeiten beachtet werden.
Zudem trennt die Richtlinie die Anforderungen in drei Teilbereiche auf: Callcenter (Büros, bei denen die Kommunikation die Hauptaufgabe darstellt, z. B. klassische kommunikationsbasierte Dienstleistungen), Mehrpersonen- und Großraumbüros und Ein- und Zweipersonenbüros.
Die jeweiligen Anforderungen sind folgender Tabelle zu entnehmen:
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Zudem gibt die Arbeitsstättenrichtlinie vor, dass in Büros der Anspruch einer guten Sprachverständlichkeit über geringe Distanzen besteht, durch die jedoch nicht beteiligte Personen nicht gestört werden.
Einhaltung der Arbeitsstätten-Verordnung A3.7 „Lärm“ durch raumakustische Optimierung
Die von der ASR A3.7 vorgegebenen Anforderungen sind ohne die Einbringung akustisch wirksamer Oberflächen (z. B. alle Raumumschließungsflächen schallhart) nur in sehr seltenen Fällen automatisch eingehalten. Meist müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Raumakustik auf ein richtlinienkonformes Niveau zu senken.
Dabei empfiehlt sich folgendes Vorgehen in der jeweiligen Phase:
Im Bau
Hinzuziehung eines Beratungsbüros, das Simulationen der zu erwartenden Bedingungen durchführen und so bei der Planung unterstützen kann, sodass idealerweise direkt nach Bau die Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinie eingehalten werden, ohne dass zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden müssen.
Im Bestand
Zur Feststellung des Ist-Zustands empfiehlt sich eine Messung aller raumakustisch relevanter Parameter (Nachhallzeit, Sprachverständlichkeit & Co.), die eine Einschätzung der bestehenden Bedingungen gibt. Auf der Basis kann im Anschluss bestimmt werden, wie viel schallabsorbierende Fläche zusätzlich in den Räum eingebracht werden muss und wo der Einsatz am sinnvollsten ist.
In beiden Fällen bietet sich nach Umsetzung eine Abnahmemessung an, um die Einhaltung der Richtlinie zu bescheinigen.
Welche Maßnahmen zum Lärmschutz stellt die ASR A3.7 gegenüber?
Die Arbeitsstättenrichtlinie stellt für den Lärmschutz drei verschiedene Maßnahmenkategorien gegenüber, nämlich technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen. Dabei sind laut Regelwerk die technischen Maßnahmen im Vergleich zu den beiden anderen Maßnahmen höher gestellt.
👓 Technische Schutzmaßnahmen
Bei den technischen Schutzmaßnahmen hat die Lärmminderung an der Quelle (Maschine, sprechende Personen, Einrichtung etc.) Vorrang gegenüber der Lärmminderung auf dem Ausbreitungsweg z. B. durch raumakustische Maßnahmen. Hier gilt es bereits die Lautstärke an der Lärmquelle möglichst stark zu beschränken.
Sofern die Lärmquellen nicht auf ein störungsfreies Niveau gesenkt werden können, kann mit raumakustischen Maßnahmen nachgeholfen werden. Darunter fallen sowohl bauliche Maßnahmen (Decke, Boden & Wände) als auch nachträgliche Maßnahmen (Stellwände, Deckensegel, Wandabsorber etc.). Auch normale Einrichtungsgegenstände wie Regale oder Polstermöbel können akustisch wirksam sein.
Des Weiteren können auch Raum-in-Raum Systeme eingesetzt werden, um dem Lärm der Räumlichkeit zu „entfliehen“ oder den Schall „mitzunehmen“. Die kann zum Beispiel bei Büros in sehr lauten Bereichen (Meisterbüro in Produktionshalle) oder bei Telefonkabinen in Großraumbüros Sinn ergeben.
👥 Organisatorische Maßnahmen
Als organisatorische Maßnahmen sind Anpassungen zu verstehen, bei denen die Lärmquellen von den durch Lärm betroffenen Personen räumlich und/oder zeitlich getrennt werden.
In Büroräumen wie Großraumbüros kann zum Beispiel sinnvoll sein, den viel telefonierenden Kundensupport von den restlichen Arbeitsplätzen abzutrennen bzw. zumindest abzuschirmen. Zudem können Kommunikationsregeln erstellt, Ausweichräume z. B. für Besprechungen geschaffen werden und Zeitfenster für lärmfördernde Maßnahmen wie z. B. das Drucken festgelegt werden.
In Bildungsbereichen sollte man Ruhe von Bewegung voneinander trennen, idealerweise räumlich und zeitlich, Spielphasen in einen separaten (Außen-)Bereich verlagern, Ruhezeichen einführen und lärmstarke Räume wie Werk- oder Mehrzweckräume nicht in unmittelbarer Nähe von Klassenräumen platzieren.
In Produktionsbereichen sollten Räume, in denen Tätigkeit der Kategorien I und II ausgeführt werden, nicht in der direkten Nähe von zu lauten Lärmquellen (Maschinen, Fahrzeuge etc.) angeordnet werden und Bildschirmarbeiten und die Steuerung von Anlagen sollte in Bereichen stattfinden, die als lärmarmer anzusehen sind.
👤 Verhaltenspräventive und persönliche Maßnahmen
Als verhaltenspräventive und persönliche Maßnahmen können Schritte betrachtet werden, bei denen es durch die Handlungen der Personen zu einer Lärmminderung kommt.
Durch das gezielte Zuführen von Informationen z. B. durch Unterweisungen und Schulungen können den Mitarbeitern Tipps zum lärmarmen Arbeiten und zur Verhinderung unnötiger Lärmerzeugung vermittelt werden.
Zudem kann der Arbeitgeber Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die die Beschäftigten nutzen können, um die persönliche Lärmzufuhr einzuschränken (z. B. Gehörschutz). Dadurch kann jedoch die Sprachverständlichkeit und akustische Orientierung beeinträchtigt werden.
Häufig gestellte Fragen zur Arbeitsstätten-Richtlinie ASR A3.7 „Lärm“ (FAQ)
Sind die Anforderungen der ASR A3.7 „Lärm“ verbindlich umzusetzen?
Die Arbeitsstättenrichtlinie kann laut dem Werk selbst als „Stand der Technik“ angesehen werden, was dazu führen kann, dass bei rechtlichen Schwierigkeiten (Mitarbeiterbeschwerde, gesundheitliche Schäden eines Mitarbeiters oder anderen möglichen Problemen) auf die Richtlinie und deren Anforderungen verwiesen wird.
Auch Klauseln in Versicherungen beinhalten oft Klauseln, die deren Haftung beschränken, wenn der Stand der Technik nicht eingehalten wurde. Die Arbeitsstättenrichtlinie ist also direkt kein Gesetz, jedoch ist die Umsetzung der Anforderungen strengstens zu empfehlen, um rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden.
Ist in der Berechnung der Nachhallzeiten für die ASR A3.7 eine Personenbelegung berücksichtigt?
Nein. Im Vergleich zur Raumgruppe A der DIN 18041 ist bei der Einhaltung der Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinie „Lärm“ keine Personenbelegung zu berücksichtigen. Sollten z. B. in Messungen Personen im Raum anwesend gewesen sein, so sollte deren Effekt auf die Ergebnisse im Nachhinein bereinigt werden.
Was meint die ASR A3.7 mit einer Schätzung der raumakustischen Bedingungen?
Als eine Möglichkeit für die Feststellung einer Einhaltung der Richtlinien nennt die ASR die „Schätzung“ der raumakustischen Bedingungen. Damit ist schlichtweg eine Berechnung der Nachhallzeit auf Basis der durchschnittlichen Schallabsorption im Raum gemeint.
Dabei werden die äquivalenten Schallabsorptionsflächen aller relevanten Flächen des Raumes (Raumumschließungsflächen, Einrichtung etc.) addiert und dann in Beziehung zum Volumen gestellt.
Betrachtet die Arbeitsstättenrichtlinie A3.7 „Lärm“ neben der Raumakustik auch den Schallschutz?
Ja, das tut sie. Der Schallschutz spielt in der Richtlinie eine sehr große Rolle, auch wenn er in diesem Blogbeitrag aufgrund des Fokus auf die Raumakustik etwas zu kurz kommt. Es werden jedoch Maßnahmen zum Lärmschutz laut der ASR A3.7 erläutert, da diese sowohl Schallschutz als auch die Raumakustik betreffen. Für genauere Informationen zum Schallschutz empfiehlt sich ein Blick in die Norm.
Die vollständige Norm lässt sich u. a. hier über die Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kostenlos herunterladen. Dieser Artikel ist lediglich eine unvollständige Zusammenfassung der Norm.